Freitag, 12. Oktober 2007

Richterprotest

Wenn ein gutes Drittel aller Richter und Staatsanwälte auf die Straße geht, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Justiz schon jetzt jenseits der Belastbarkeitsgrenze angekommen ist, dann sollte einem das doch zu denken geben. Genau das hat gestern stattgefunden. 1.300 Richter und Staatsanwälte haben sich zu einem Protesttag in Düsseldorf versammelt. Das zeichnet ein deutliches Bild über die Stimmung in nordrhein-westfälischen Gerichten und Staatsanwaltschaften.

Rechnerisch fehlen in Nordrhein-Westfalen mehrere hundert Richter und Staatsanwälte. Doch statt mehr Richter und Staatsanwälte einzustellen, sollen es sogar im kommenden Jahr fast 80 weniger werden!

Dabei sind die Zahlen nicht einmal von den Richtern, sondern von den Justizministern ermittelt worden. Der durchschnittliche Richter arbeitet in NRW nach der Erhebung einer Unternehmensberatung (sog. Peb§y-Studie) etwa 50 Stunden in der Woche. Eine Zahl, die ich aus eigener Erfahrung durchaus als in jeder Hinsicht zutreffend bezeichnen kann. Dabei haben die Richter und Staatsanwälte einen ungewöhnlich niedrigen Krankenstand und viele Kolleginnen und Kollegen müssen Jahr für Jahr Teile ihres Urlaubs verfallen lassen, um der Aktenflut überhaupt noch Herr zu werden. Überrascht es da wirklich, wenn Richter und Staatsanwälte nur darüber lachen können, dass durch die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden doch Personalressourcen frei werden sollen. Tatsächlich heisst das doch nur, dass ich nicht mehr 11, sondern nur noch neun Stunden jede Woche "überobligatorisch" leiste. Glaubt man in unserer hierfür verantwortlichen Landesregierung wirklich, dass die Richter und Staatsanwälte trotzdem noch mehr Arbeit schultern können, ohne dass der Rechtsschutz massiv darunter leidet? Oder nimmt man das einfach in Kauf?

Ebenso befremdlich muten Äußerungen an, dass doch durch die Einführung elektronischer Verfahrenslösungen Personal eingespart werden könnte. Zum einen hat die Justizministerin selber die Probe aufs Exempel gemacht und dabei festgestellt, dass jedenfalls die Richter bei der Nutzung der hier in NRW realisierten Verfahrenslösung JUDICA/TSJ mehr und nicht etwa weniger Zeit für die Bearbeitung ihres Dezernats benötigen. Da war sie aber noch Vorsitzende des Hauptrichterrates und des Richterbundes. So lange, dass sie das schon wieder vergessen haben könnte, ist das aber noch nicht her! Zum anderen hat es ja - vor allem im sogenannten "Unterstützungsbereich", d.h. in den Kanzleien und Geschäftsstellen (neudeutsch: Serviceeinheiten) bereits in der Vergangenheit massive Personaleinsparungen gegeben, die sich nur durch den Einsatz der Technik und eben Mehrarbeit der Richter und Staatsanwälte auffangen ließen. Dieses Rationalisierungspotential ist - was man offenbar politisch nicht wahr haben möchte - nicht nur begrenzt, es ist mehr als ausgeschöpft.

Was nutzen wohl neue Ermittlungsmethoden (Stichwort: Onlinedurchsuchung), was nutzen mehr Polizeibeamte (die sicher auch notwendig sind!), wenn dann keine Staatsanwälte da sind, die die Verfahren zur Anklage bringen und keine Richter, die die Täter verurteilen. Der Kollaps des Systems steht nicht unmittelbar bevor, er kann jeden Tag in deutschen Gerichten und Staatsanwaltschaften besichtigt werden.

Da bedarf es schon fast keiner Erwähnung, dass in verfassungsrechtlich zumindest fragwürdiger Weise die Richter und Staatsanwälte von der allgmeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden.

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